Unternehmen berichten: CSRD-Berichtspflicht – Herausforderung oder Chance?
Klimaschutz und Nachhaltigkeit spielt für Unternehmen in Deutschland eine zunehmend wichtige Rolle. Spätestens seit der Ausweitung der CSRD-Berichtspflicht und der EU-Taxonomie kommt kein Unternehmen mehr an den Themen vorbei. Wie sich Unternehmen gezielt auf kommende Pflichten vorbereiten können erfahren Sie anhand eines Erfahrungsberichts in diesem Artikel.
Das neue EU-Rahmenwerk für Nachhaltigkeitsberichte ist die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Diese gibt vor, dass Unternehmen, die bestimmte Kriterien erfüllen, in Zukunft im Rahmen der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) berichterstatten müssen. Diese zu Beginn des Jahres beschlossene Richtlinie wird auch für deutsche Unternehmen eine bedeutende Rolle spielen. Sie stellt ein EU-weites Gesetz dar, das zunächst für große und bereits berichtspflichte Unternehmen verpflichtend ist, mit dem Ziel über die kommenden Jahre auch auf mittlere und kleinere Unternehmen (KMU) ausgeweitet zu werden.
Ein großes Ziel der CSRD-Richtlinie ist es die Transparenz und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsberichten in Europa zu erhöhen. Sie bietet Unternehmen eine strukturierte Methode, um ihre Nachhaltigkeitsleistungen darzustellen und sich zu nachhaltigem Handeln zu verpflichten. Die CSRD-Berichtspflicht spielt eine zentrale Rolle für deutsche Unternehmen, da sie die Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Vordergrund rückt, die Transparenz erhöht und die Integration von Nachhaltigkeit in Geschäftspraktiken fördert. Es ist wichtig, dass Unternehmen die Anforderungen der CSRD verstehen und sich rechtzeitig darauf vorbereiten, um den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden und die Vorteile einer verbesserten Nachhaltigkeitsberichterstattung zu nutzen.
Was nach vielen Vorgaben und Druck klingt, bringt jedoch auch echte Vorteile mit sich. Im folgenden Interview erfahren Sie vom Unternehmen HANSA-FLEX AG wie sie sich bereits jetzt auf die kommende CSRD-Berichtspflicht vorbereiten, welche Herausforderungen sie erwarten aber auch welche Potentiale sie für ihr Unternehmen sehen.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Wir freuen uns, wenn Sie sich und Ihr Unternehmen den Lesenden kurz vorstellen.
Hansa-Flex: Die HANSA-FLEX AG ist ein produzierendes Familienunternehmen im Bereich der Hydraulik. Es stellt unter anderem Hydraulik–Schlauchleitungen, Aggregate und weitere Produkte im Bereich der Fluidtechnik her. Das Unternehmen hat über 210 Standorte in Deutschland. An ungefähr 10 Produktionsstandorten werden komplexere Produkte, wie Rohrleitungen oder Metallschläuche gefertigt. In den weiteren Niederlassungen werden nur kleinere Fertigungstätigkeiten getätigt und unsere Produkte verkauft. Dazu gibt es zwei Zentrallager und die Unternehmenszentrale. Dort arbeiten die meisten Mitarbeitenden.
„Im Moment ist Nachhaltigkeit eines der führenden Themen bei uns“
Inwiefern haben Sie sich mit der CSRD-Berichtspflicht bereits beschäftigt?
Hansa-Flex: Wir haben letztes Jahr angefangen uns damit auseinanderzusetzen und haben dann gelernt, dass wir ab 2026 für das Jahr 2025 berichtspflichtig sind. Wir haben uns zunächst dann erstmal selber mit dem Thema beschäftigt, haben aber schnell gemerkt, dass es ein sehr aufwendiger und bürokratischer Prozess ist. Deshalb haben wir uns dann Unterstützung in Form eines Wirtschaftsprüfungsunternehmens ersucht. Hier war uns aber wichtig, dass diese Beratung eine Coaching-Rolle übernimmt und wir dadurch noch selbst stark in die Prozesse involviert sind und somit intern ein Verständnis über die Anforderungen und Schritte aufbauen.
Bisher haben wir uns mit den grundlegenden Fragen beschäftigt: Was müssen wir tun? Wie groß ist unser Konsolidierungskreis? Was muss alles in einem Nachhaltigkeitsbericht enthalten sein?
Heute sind wir auf dem Stand, dass wir gerade unseren Wesentlichkeits-Workshop durchgeführt haben und nun wissen in welchen Bereichen bei uns eine doppelte Wesentlichkeit vorliegt, also worüber wir letztendlich berichten müssen und worauf wir uns intensiver konzentrieren müssen.
Wie bereitet sich Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren darauf vor?
Hansa-Flex: Da wir verpflichtet sind diesen Bericht für unseren gesamten Konsolidierungskreis, bestehend aus über 50 Unternehmen, zu erstellen, wollen wir uns gut darauf vorbereiten und die nötigen Prozesse frühzeitig aufbauen. Unser Plan ist es den Berichtsprozess in 2024 schon einmal zu simulieren. Dies hilft uns zu identifizieren an welchen Stellen Prozesse noch neu aufgebaut oder angepasst werden müssen. Wenn die Strukturen dann bis 2025 stehen, wird es für uns einfacher in 2026 darüber zu berichten.
Welche Herausforderungen sehen Sie?
Hansa-Flex: Unser Konsolidierungskreis besteht nicht nur aus Gesellschaften in Deutschland und Europa, sondern beinhaltet auch Landesgesellschaften in nicht-EU-Ländern. Hier bestehen viele Prozesse bisher noch nicht die in unseren EU-Unternehmen bereits bestehen. Besonders ESG Themen sind meist nicht in bestehenden Strukturen verankert. Diese Strukturen müssen erst einmal aufgebaut werden und inwiefern sie bereits an verschiedenen Standorten vorhanden sind muss erst einmal festgestellt werden. Es ist also gute Kommunikation und viel Überzeugungskraft gefragt, aber auch die Ressourcen in Form von Personal und Zeit um diese neuen Strukturen aufzubauen. Aber auch hier gibt es technische Lösungen, man kann mit Schätzungen arbeiten oder im Bericht kommunizieren, dass nur ein bestimmter Anteil gemessen werden konnte (z. B. 90 % datenbasiert abgedeckt, 10 % Hochrechnungen). Vieles wird sich in 2024 zeigen.
Welche Potentiale sehen Sie für Ihr Unternehmen?
Hansa-Flex: Ich sehe viele Vorteile an der CSRD-Berichtspflicht. Zum einen sorgt sie für eine EU-weite Vereinheitlichung bei Nachhaltigkeitsthemen mit einer Ausweitung auf mehr Unternehmen. Es wird einfacher sein in Lieferketten zu kommunizieren und zu handeln. Allgemein sorgt sie für Optimierungen in bestehenden Strukturen und Prozessen und für den Aufbau von neuen. Die Berichtspflicht spielt eine wichtige Rolle im Klimaschutz und ich hoffe, dass die Arbeit mit diesen Themen für viele auch dazu führt sich im privaten Leben mehr mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen.
Auch im Unternehmen selbst hilft uns dieses Thema dabei Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen zu identifizieren. Da wir als wachsendes Unternehmen dennoch verpflichtet sind unsere absoluten Emissionen zu reduzieren, ist es besonders wichtig, dass wir die richtigen Ansatzpunkte finden und in den kommenden Jahren bearbeiten. Wir wollen zum Beispiel unseren Energieverbrauch durch Wechsel zu Ökostrom, Installation von PV-Anlagen und Elektrifizierung unserer Fahrzeugflotte reduzieren. Auch in unserer Logistik und an unseren Produkten sehen wir Raum für Optimierung.
Abgesehen von der CSRD müssen wir uns außerdem auch mit dem neuen Lieferkettengesetz auseinandersetzen, denn hier sind wir schon ab nächstem Jahr berichtspflichtig. Wir arbeiten mit IntegrityNext zusammen um sowohl mit unseren eigenen Lieferanten ins Gespräch zu kommen und Informationen zu sammeln, also auch Informationen an unsere Kunden zu senden in deren Lieferkette wir uns befinden. Wir hoffen, dass kommende Berichtspflichten dafür sorgen, dass auch diese Prozesse immer einfacher werden, wenn durch Berichte Informationen in Unternehmen leichter zugänglich sind.
Haben Sie Tipps für andere Unternehmen, die sich auch mit der CSRD-Berichtspflicht konfrontiert sind?
Hansa-Flex: Zuallererst empfehle ich Unternehmen sich frühzeitig mit dem Thema Nachhaltigkeit und der auf uns zukommenden Berichtspflicht auseinanderzusetzen. Je nach Größe und Aufbau des Unternehmens hat man unterschiedliche Anforderungen zu erfüllen, jedoch hilft es sicherlich sich so früh wie möglich über die benötigten Daten und Informationen bewusst zu sein und Strukturen und Prozesse frühzeitig aufzubauen und auf ihre Wirksamkeit zu testen.
Die Angst kann vor diesem Thema kann außerdem genommen werden, wenn man sich bewusst macht wie viele Informationen man schon durch bestehende Strukturen und Zertifizierungen abgedeckt hat. Wir haben zum Beispiel durch Creditreform Rating ein Zertifikat für Nachhaltiges Handeln. Hier wurden auch ESG Themen abgefragt, zwar in kleinerem Rahmen, aber es stellte trotzdem eine gute Übung dar. Einer unserer Auszubildenden hat seine Abschlussarbeit zum Thema GRI geschrieben und sich hier auf den Themenschwerpunkt Umwelt fokussiert und im Rahmen dessen Kennzahlen zusammengetragen. Auch Strukturen wie Risiko- und Chancenmanagement oder Energie- und Umweltmanagementsysteme beinhalten viele Informationen die für den Nachhaltigkeitsbericht benötigt werden. Andersrum sollte man sich bewusst sein, dass mehr benötigte Informationen auch zu Erweiterungen und Verbesserungen von diesen bestehenden Systemen führen können und dadurch positiv betrachtet werden sollten.
Dennoch ist meine große Empfehlung sich externe Unterstützung, zum Beispiel durch ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen, zu holen. Natürlich nicht das Unternehmen, das später die Prüfung des Berichts durchführt sondern eine dritte Perspektive. Wie bereits erwähnt empfehlen wir einen Coaching-Ansatz. Wir haben dadurch viele hilfreiche Tools wie Exceltabellen erhalten und lernen kontinuierlich wie wir die Daten gezielt zusammentragen und managen. Da es sich bei der CSRD-Berichtspflicht um eine langfristige Veränderung handelt, zielen wir darauf ab die Prozesse selbst zu verstehen und zu erlernen um die Berichte in zukünftigen Berichtsjahren eigenständig zu erstellen.
Interviewpartner
Christian Herm
Abteilungsleiter Organisation
Verantwortlich für das Integrierte Managementsystem
Seit ca. 25 Jahren bei HANSA-FLEX.
Autorin
Annika Schwochow
BVMW | Förderprojekte | Projektmanagerin KliMaWirtschaft